Stabhaltergässle

Wo einst der Vogt wohnte

Bild von Stabhalter Albert Moser mit Familie
Albert Moser (2.v.l.), Stabhalter von 1956 – 1965. Dessen Vater, Stefan Moser (ganz rechts im Bild), ist ebenfalls Stabhalter gewesen.
Das Foto wurde in den 1930er Jahren aufgenommen.
Repro: Siegfried Moser

Weit mehr als ein Dorfbote

Den Einheimischen die Bedeutung unseres „Stabhaltergässle“ zu erklären, wäre wohl gleichbedeutend mit dem  sprichwörtlichen „Wasser in den Rhein“ – oder im hiesigen Fall trefflicher: in die Heilbadquelle tragen. Den Stabhalter, den kennt schließlich jedes Kind.
Nun gibt’s in unserem Dorf inzwischen aber halt glücklicherweise auch Zugezogene und, anders als in früheren Jahrhunderten, als man sich bei uns mangels offizieller Wegeverbindungen am Ende der Welt wähnte, auch Durchreisende, die mit dem Begriff „Stabhalter“ so recht nichts anzufangen wissen.
Ihnen sei erklärt: Ettenheimweiler war noch nie eine selbständige Gemeinde, war, erstmals 1370 urkundlich erwähnt, immer ein Ortsteil („Weiler“) von Ettenheim. Entwickelt hat sich unser Dorf aus dem Klosterhof der Mönche aus Ettenheimmünster sowie aus den Gasthöfen adliger Herren.
Freilich gab es im Laufe der Jahrhunderte auf Grund vermeintlicher Benachteiligungen immer wieder Bestrebungen, sich von Ettenheim zu lösen und selbständig zu werden. Einmal scheiterte dies am Fürstbistum Straßburg, ein andermal an der badischen Regierung in Karlsruhe. Natürlich baute das Dörflein schon immer auf einen Repräsentanten, der die Interessen der Bewohner gegen die Obrigkeit vertrat. Anfangs bezeichnete man diesen als „Vogt“, später dann als „Stabhalter“. Und einen solchen gibt es bis zum heutigen Tag. Jeweils der Gemeinderat (sorry: es waren bisher halt ausnahmslos Männer), den Ettenheimweiler in das Ettenheimer Stadtparlament wählt, ist zugleich der Stabhalter unseres Ortsteils. Über historische Quellen, in denen noch im Jahr 1812 beklagt wurde, dass der Vogt weder Sitz noch Stimme bei den stadträtlichen Versammlungen besitzt und sich  „in seinem Auswirkungsbereich eher auf den eines bloßen Dorfboten beschränkt fühlt“, kann man heute nur noch schmunzeln.
Warum aber trägt nun gerade diese kleine Straße die Bezeichnung „Stabhaltergässle“. Es sind nun die aktuellen Stabhalter, die darüber Aufschluss geben: der aktuelle, Heinz Ketterer (wir schreiben das Jahr 2022) sowie sein Vorgänger, Reinhard Meier. Sie wissen zu berichten, dass die Straßen unseres Dorfes erst in den Sechziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts überhaupt einen Namen bekamen. Zuvor waren die Häuser allein mit Nummern versehen. Das war alles. Mit dem Einbau von neuen Wasser- und Schmutzwasserkanälen gab man den Straßen dann Namen – und zum „Stabhaltergässle“ wurde dann eben jene Sackgasse „getauft“, in der der damalige Stabhalter Albert Moser (im Amt von 1956 bis 1965) wohnte.
Eine schöne Ehrerbietung und Anerkennung für alle Vögte und Stabhalter vor und nach ihm, über all die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag, wie wir finden!

Quellen:

Dr. J.B. Ferdinand: Chronik von Ettenheimweiler, 1963
Franz Römer: Erinnerungen  - Das Leben im Dorf in vergangenen Zeiten, 1988
Notizen aus einem Informationsgespräch mit Heinz Ketterer, dem aktuellen Stabhalter, und Reinhard Meier, seinem Vorgänger

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